50 Jahre Psychiatrie-Enquête
KREIS GROSS-GERAU – Das 50-jährige Bestehen der sogenannten Psychiatrie-Enquête ist Anlass dafür, die Ergebnisse und Ziele dieser Untersuchung für die Menschen im Kreis Groß-Gerau anzuschauen. Die Psychiatrie-Enquête bezeichnet eine umfassende Analyse des Deutschen Bundestags aus dem Jahr 1975, welche gravierende Missstände in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen aufdeckte und Reformen einleitete, die bis heute nachwirken. Sie war nicht nur eine Analyse der damaligen psychiatrischen Versorgung, sondern auch ein Aufruf zur Veränderung – deswegen gilt sie auch als Wendepunkt der deutschen Psychiatrie.
Im Anschluss entstanden zahlreiche neue Ansätze, einschließlich Modellprojekte, die den Wechsel von stationärer zu ambulanter Betreuung erleichterten. Sozialpsychiatrische Dienste und gemeindepsychiatrische Angebote wurden aus- und aufgebaut mit dem Ziel, Betroffenen eine Anlaufstelle außerhalb klassischer Kliniken zu bieten. Diese Entwicklungen veränderten die Rolle der Psychiatrie grundlegend: von Verwahrung hin zu einer auf Therapie und Rehabilitation ausgerichteten Versorgung.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Partizipation der Patient*innen. Die Psychiatrie-Enquête setzte ein Zeichen für eine stärker patientenorientierte Psychiatrie, in der Betroffene nicht nur Empfänger von Behandlung, sondern aktive Gestalter ihres Genesungsprozesses sind. Peer-Beratung, Selbsthilfegruppen und Recovery-Ansätze sind heute wichtige Bestandteile der modernen psychiatrischen Versorgung.
Trotz aller Fortschritte gibt es aber immer noch erhebliche Herausforderungen. Der gesellschaftliche Umgang mit psychischen Erkrankungen zeigt, dass Stigmatisierung und Diskriminierung weiterhin bestehen. Psychisch kranke Menschen stoßen oft auf Vorurteile, sei es im Arbeitsleben, in der medizinischen Versorgung oder im sozialen Umfeld. Hier sind weiterhin Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung notwendig.
Aus Anlass von „50 Jahre Psychiatrie-Enquête“ plant der Kreis für Montag, 29. September 2025, eine Veranstaltung in den Räumen des Landratsamts, bei der gemeinsam auf die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der psychiatrischen Versorgung im Kreis Groß-Gerau geschaut wird. Inhaltlich bietet die Veranstaltung Einblicke in die damalige Zeit mittels persönlicher Schilderungen durch Zeitzeugen aus dem Kreis Groß-Gerau. Ein Gespräch auf dem Podium mit Zeitzeugen, Betroffenen, Angehörigen, Fachkräften und Politik beleuchtet die Gegenwart und wirft einen Blick darauf, was noch zu tun bleibt. In der Pause ist Zeit für Begegnung im Foyer inklusive einer Ausstellung und dem Stand einer Kreativgruppe.
Zur Veranstaltung sind alle Interessierten eingeladen, insbesondere Betroffene. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Weiterführende Informationen und der Link zur Online-Anmeldung finden sich hier.