Arten- und Biotopschutzprogramm

Der Kreis Groß-Gerau ist Lebensraum für zahlreiche gefährdete oder sogar vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen. Unter ihnen sind Arten, für die unser Kreis eine ganz besondere Verantwortung hat, weil ein großer Teil der Gesamtpopulation Deutschlands oder Europas hier heimisch ist. Darüber hinaus ist unser Kreisgebiet Rastplatz vieler Zugvogelarten, darunter zahlreicher seltener Arten.

Aus diesem Grunde arbeitet der Kreis Groß-Gerau eng mit Trägern von Arten- und Biotopschutzptogrammen für das Kreisgebiet zusammen und unterstützt, wo es ihm möglich ist.

Aktuell
- Kiebitz, initiiert von der Vogelschutzwarte Frankfurt, gemeinsam mit Landwirtschaftsamt und Ehrenamt
- Gänsemanagement, initiiert von der Vogelschutzwarte Frankfurt, gemeinsam mit Landwirtschaftsamt und Ehrenamt
- Amphibienschutz für Wechsel- und Kreuzkröte, gemeinsam mit dem Land Hessen und der Oberen Naturschutzbehörde
- Hamster, gemeinsam mit dem Landwirtschaftsamt.

Zu den besonderen Arten, die im Kreis Groß-Gerau heimisch sind, zählen u.a.:

Blaukehlchen (Luscinia svecica)

Das Blaukehlchen ist etwa so groß wie eine Kohlmeise. Im Brutkleid ist das Männchen an seiner leuchtend blauen Kehle leicht zu erkennen, das ganze Jahr über an dem rostroten Brustband und der rostroten Schwanzwurzel. Die Weibchen und jungen Männchen haben einen hellen Kehlfleck mit dunkleren Streifen.


Das Blaukehlchen ist scheu und deshalb nicht leicht zu beobachten. Ende März bis Ende April, wenn die Männchen ihre Reviere besetzen, sind sie durch ihren intensiven Gesang am besten zu entdecken. Nach der Revier- und Paarbildung bauen die Blaukehlchen ein gut verstecktes Nest unter Pflanzen in eine Bodenmulde, zwischen Wurzeln oder bodennah ins Gebüsch. Das Weibchen legt 5-6 grau-grüne Eier mit rotbraunen Flecken, das von ihr und zeitweise vom Männchen bebrütet wird.


Seine bevorzugten Lebensräume sind Feuchtgebiete mit Weiden- und Erlengebüsch, mit Röhricht und Freiflächen sowie Flachuferzonen.
Den Winter verbringen die bei uns brütenden Blaukehlchen in Südeuropa und Nordafrika.
Es sind zwei Unterarten bekannt: das Weißsternige Blaukehlchen mit einem weißen Fleck innerhalb des blauen Kehlflecks und das Rotsternige Blaukehlchen mit einem roten Fleck.

Vorkommen im Kreis:
Interessant ist, dass mehr als 60% der hessischen Population in Südhessen brütet.

Gefährdung und Schutz:
Rote Liste Hessen 3
Rote Liste Deutschland 3
Besonders geschützt nach Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV)

Gründe für die Gefährdung: Lebensraumverlust

Artenhilfsmaßnahmen:
Erhalt, Erweiterung und Verbesserung der Lebensräume aller Populationen.

Hirschkäfer (Lucanus cervus)

Der Hirschkäfer gehört zur Familie der sogenannten Schröter. Während der größte Teil der einheimischen Käferarten kleiner als 1 cm sind, ist der Hirschkäfer mit bis zu ca. 8 cm der größte Käfer Mitteleuropas. Der Oberkiefer des Männchens ist vergrößert und zu geweihartigen Greifzangen umgewandelt. Diese „Geweihe“ benutzen die Männchen bei den Paarungskämpfen, bei denen sie versuchen ihren Gegner regelrecht vom Baum zu werfen. Die Weibchen sind kleiner (ca. 3-4 cm) und haben normal ausgebildete Oberkiefer. Die Flügeldecken beider Geschlechter sind kastanienbraun, Kopf, Brust und Beine sind schwarz.
Alle holzfressenden Käferarten haben sehr große Schwankungen in ihrer Körpergröße. Je nachdem ob die bevorzugten Nahrungsbäume vorhanden sind oder auf alternatives Holz ausgewichen werden muss, entwickeln sich die Larven. So kann es sein, dass man vollentwickelte männliche Hirschkäfer von knapp 3-4 cm Größe oder Prachtexemplare von 8 cm findet.
Die Hirschkäfer sind dämmerungsaktiv und ernähren sich ausschließlich von Pflanzensäften, die aus Rindenspalten oder Baumwunden austreten. Sie kommen in alten Eichenbeständen vor, man findet sie aber auch auf anderen Laubbäumen.
Aktiv sind die Tiere von Anfang Juni bis etwa Mitte August. Nach der Paarung legt das Weibchen seine Eier in Totholz von Eichen, vorzugsweise in bodennähe oder im Boden. Wenn keine Eichen vorhanden sind, werden die Eier auch in morsches Holz anderer Laubbäume gelegt. Die Entwicklung vom Ei zum Käfer kann 5 bis 8 Jahre dauern. Die Larve lebt ausschließlich im pilzbefallenem Holz und frisst dort Gänge aus. Sie hat die typische Form eines Engerlings und kann eine Länge von 10 cm erreichen. Im blasigen Hinterleib liegt die sogenannte „Gärkammer“, in der Bakterien das von der Larve gefressene Holz zersetzen, so dass der Engerling verwertbare Nährstoffe erhält. Im Frühjahr des letzten Entwicklungsjahres verpuppt sich die Larve in einer Puppenkammer im Holz oder auch im Boden. Nach dem Schlüpfen überwintert der Käfer dort und fliegt erst im darauffolgenden Juni aus.

Vorkommen im Kreis:
Nach den bisherigen Erkenntnissen hat der bundesweit gefährdete Hirschkäfer im Kelsterbacher Wald sein größtes hessisches Vorkommen. Auch im Naturschutzgebiet Mönchbruch kommt der Käfer vor.


Gefährdung und Schutz
RL Hessen 3 (gefährdet) (RL Hessen ist in Vorbereitung)
RL Deutschland 2 (stark gefährdet)
Geschützt nach Bundesartenschutzverordnung (BartSchV)
FFH-Richtlinie, Anhang II

Gründe für die Gefährdung:
Fehlende Nahrungsgrundlage und der Brutsubstrate– in der modernen Holzwirtschaft werden alte und kranke Bäume gefällt, es fällt kaum Saftfluss an, ebenso kaum Totholz; Wirtschaftswald ist häufig zu dicht – der Hirschkäfer bevorzugt lichte alte Eichenwälder. Auch die Zunahme des Schwarzwildes, das gezielt nach Larven sucht kann sich zur einer zusätzlichen Gefährdung entwickeln.

Artenhilfsmaßnahmen:
Stärkeres Belassen von Totholz, Erhalt von Altbäumen mit Saftfluss, insbesondere von rückgängigen Eichen.

Sand-Zwerggras (Mibora minima)

Das Sand-Zwerggras ist ein einjähriges Ährengras, das 3-10 cm hoch wird. Die Ähre ist sehr schmal und hat einen sehr dünnen Stiel. Das Zwerggras ist selten und wächst unbeständig auf warmen, trockenen, kalkarmen, sandigen Orten, wie Dünen und Sandheiden. In Deutschland kommt es nur auf Sandböden unserer Region vor (nördliche Oberrheinebene und Untermainebene)!

Vorkommen im Kreis:
Heute kommt das Sand-Zwerggras noch in sandigen Gebieten von Walldorf, Mörfelden und Königstädten vor.

Gefährdung und Schutz
RL Hessen 2
RL Deutschland
FFH Richtlinie, Anhang II

Gründe für die Gefährdung:
Lebensraumverlust durch Nutzungsintensivierung, Eutrophierung (Nährstoffanreicherung durch Düngung), Nutzungswandel, Nutzungsaufgabe und dadurch Sukzession sowie Überbauung.

Artenhilfsmaßnahmen:
Erhalt kalkfreier, nährstoffarmer sandiger Standorte, Umbruch sandiger Flächen.

Weißstorch (Ciconia ciconia)

Der Weißstorch hat ein weiß-schwarzes Gefieder, lange rote Beine und einen langen roten Schnabel. Er ist etwa 80 bis 100 cm groß und kann eine Flügelspannweite von bis zu 2 m erreichen.
Seine Lebensräume sind feuchtes offenes Grünland, Auen und extensive Wiesen. In Südeuropa besiedelt er auch Steppengebiete. Die Nahrung der Weißstörche besteht aus Fröschen, Eidechsen, Schlangen, Kleinsäuger, große Insekten, Regenwürmern, Fischen und auch Aas.
Störche sind paartreu und besetzen nach Möglichkeit auch stets das Nest vom Vorjahr. Das Nest wird bevorzugt freistehend gebaut, gerne auf Bäumen, Masten, Schornsteinen und hohen Gebäuden. In das Nest werden ab Mitte März 3-5 Eier gelegt die abwechselnd vom Weibchen und Männchen bebrütet werden. Der Bruterfolg hängt stark von den äußeren Bedingungen wie Nahrungsangebot und Witterung ab.
Im Spätsommer sammeln sich die Störche um Ende August in großen Verbänden in ihre Winterquartiere zu fliegen. Die bei uns brütenden Störche überwintern von Spanien bis nach Südafrika.

Vorkommen im Kreis:
Im Kreis Groß-Gerau war der Storch ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts fast gänzlich verschwunden. Es kam nur sehr vereinzelt zu Bruten. Erst durch die Unterschutzstellungen von Gebieten, die Aufgabe von landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie die Wiesenpflege durch Aktive im Naturschutz und die Bemühungen vieler Akteure kam es seit 1995 zu einer kontinuierlichen Wiederbesiedlung unserer Landschaft durch den Storch. Im Jahr 2004 gab es erfreulicherweise 43 Storchenpaare, von deren Nachwuchs etwa 64 Jungstörche ausflogen. Rund 50% aller in Hessen gezählten Störche leben im Kreis Groß-Gerau. Aktuell (2015) gab es im Kreis Groß-Gerau 184 Brutpaare mit 466 Jungstörchen; in Hessen 420 Brutpaare mit 1001 Jungstörchen. 

Gefährdung und Schutz
RL Hessen 3
RL Deutschland 3
Besonders geschützt nach Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV).

Gründe für die Gefährdung:
Nahrungsmangel aufgrund fehlender Feuchtwiesen, Intensivierung der Landwirtschaft, Trockenlegungen, Verbrachung, Siedlungsbau, Freizeitaktivitäten und die anhaltende Trockenheit im Sahelgürtel (zu wenig Nahrung für die vielen durchziehenden Vögel)

Artenhilfsmaßnahmen:
An erster Stelle steht die Verbesserung und, wo möglich, die Erweiterung seiner Nahrungsgebiete. Darüber hinaus hilft die Errichtung von Nisthilfen in geeigneten Gebieten, die Reparatur bestehender Nester und die Entschärfung von Stromleitungen den Bestand der Weißstörche zu erhalten und gegebenenfalls zu Erhöhen.