
Landrat Thomas Will begrüßte zur Ausstellungseröffnung im Fritz-Bauer-Foyer des Landratsamts. Foto: Kreisverwaltung
Bestimmt keine Landesverräter
KREIS GROSS-GERAU – Mit einem Prozess, der im Frühjahr 1952 bundesweit Aufsehen erregte, befasst sich eine Ausstellung, die derzeit im Foyer des Groß-Gerauer Landratsamts zu sehen ist. „‚Verräter‘ oder ‚Helden?‘ – Fritz Bauer und der Prozess um den 20. Juli 1944“ ist der Titel dieser Ausstellung, die die Gedenkstätte Deutscher Widerstand erarbeitet und zur Verfügung gestellt hat. Darin werden die Hintergründe der viertägigen Verhandlung am Landgericht Braunschweig beschrieben.
Am Ende wurde Otto Ernst Remer, 1944 Kommandeur des Wachbataillons „Großdeutschland“ und nach dem Krieg Mitbegründer der rechtsextremen „Sozialistischen Reichspartei“, zu einer Strafe von drei Monaten verurteilt, weil er an der Gegenaktion zum Umsturzversuch des 20. Juli 1944 beteiligt war. Remer hatte die Attentäter des 20. Juli öffentlich als „Verräter“ diffamiert – Männer, die aus Gewissensgründen gegen das verbrecherische NS-Regime handelten und dafür mit ihrem Leben bezahlten.
Der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer klagte Remer wegen „übler Nachrede“ und „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“ an – mit Erfolg. Das Verfahren gegen Remer war damit ein entscheidender Schritt zur Anerkennung des Widerstands gegen Hitler und den Nationalsozialismus.
Fritz Bauer zu Ehren hat der Kreis vor ein paar Jahren die Eingangshalle des Landratsamts in Fritz-Bauer-Foyer umbenannt. Dass nun dort eine Ausstellung über das Wirken Bauers zu sehen ist, bezeichnete Landrat Thomas Will als passenden Auftakt für das Vorhaben, künftig das Foyer wieder vermehrt für Ausstellungen zu nutzen. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Demokratie bei immer mehr Menschen nachlässt und selbst in der Mitte der Gesellschaft bisher als selbstverständlich geachtete Werte und Grundrechte nicht mehr als allgemeingültig betrachtet werden (wie eine aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aufzeige), „ist es umso wichtiger, Verantwortung zu übernehmen und zum Nachdenken anzuregen“, so der Landrat. Zum Beispiel mit dieser informativen Ausstellung, die noch bis zum 28. November während der Öffnungszeiten des Landratsamts zu sehen ist.
Thomas Will dankte bei der Vernissage vor kleiner Runde allen, die die Schau in Groß-Gerau ermöglicht haben: dem Kreistag als Impulsgeber, dem Kreiskulturbüro als Organisator, der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die die Wanderausstellung zur Verfügung stellt, und Christian Suhr, dem Leiter der Riedstädter BüchnerBühne, der bei der Ausstellungseröffnung das – etwas gekürzte, immer noch rund halbstündige – damalige Plädoyer Fritz Bauers vortrug. Darin argumentierte der Generalstaatsanwalt juristisch versiert und moralisch beeindruckend. Er betonte, dass die Männer des 20. Juli ihr Land „nicht verraten, sondern retten“ wollten. In einem Unrechtsstaat könne es keinen Hochverrat geben. Darum appellierte Fritz Bauer ans Gericht: „Entscheiden Sie bitte aufgrund des Rechts.“ Was dann auch geschah.