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Bundesinnenministerin Nancy Faeser lobt Flüchtlingsarbeit im Kreis und in Kelsterbach

Mit den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels in Berlin im Gepäck schaute Bundesinnenministerin Nancy Faeser am vergangenen Samstag in Kelsterbach vorbei, um sich vor Ort über die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten zu informieren. Die meiste Last werde von den Kommunen und Landkreisen getragen, so Faeser: „Ich weiß aus zwei Jahrzehnten Kommunalpolitik, was das bedeutet, was Ehrenamtliche und Hauptamtliche hier leisten“. Deshalb sei sie Bürgermeister Manfred Ockel und Landrat Thomas Will sehr dankbar für die Gelegenheit, sich in Kelsterbach ein Bild davon machen zu können, was gut funktioniert und wo es Probleme gibt. Um der Ministerin genau darzulegen, an welchen Stellen konkrete Lösungen gefordert sind, waren Vertreterinnen und Vertreter aus Schule, Erwachsenenbildung, Flüchtlingskoordination, Caritas und Vereinsarbeit zu einer gemeinsamen Gesprächsrunde ins Rathaus eingeladen worden.   

Zu Beginn unterstrich Landrat Will, dass er in der aufgeheizten Diskussion ein positives Zeichen setzen wolle, wie es auch gehen kann. Der Landkreis Groß-Gerau sei gut aufgestellt. Nach 2015 habe man gemeinsam mit vielen Kommunen vorsorgliche Maßnahmen getroffen, um bei ähnlichen Herausforderungen entsprechend gewappnet zu sein. Neben dem Aufbau kommunaler Sozialarbeit habe der Kreis davon profitiert, dass die zahlreichen Immobilien, die 2015/16 angemietet, gekauft oder gebaut worden sind, auf Standby gehalten wurden. So konnte vermieden werden, dass Menschen in großer Zahl an Orten wie Turnhallen oder Bürgerhäusern untergebracht oder dass gar Zeltstädte errichtet werden mussten. „Wir verteilen dort auf die Städte und Gemeinden, wo wir Unterkunftsmöglichkeiten haben“, so Will. Auch Bürgermeister Ockel bestätigte, dass es im Kreis ein hervorragendes Netzwerk zwischen den Kolleginnen und Kollegen und dem Landrat gebe, um Geflüchtete bei der Überwindung bürokratischer Hürden bis zur Beschaffung von Wohnraum zu unterstützen. Faeser sagte darauf, dass es ihr wichtig sei, solche positiven Beispiele wie Kelsterbach und den Kreis Groß-Gerau hervorzuheben, dass es aber auch hier wichtig sei zu schauen, wo Hilfe notwendig ist. „Ich bin gekommen, um zuzuhören“, so die Ministerin.

Aufmerksam folgte Faeser den fachlichen Ausführungen von Olga Stüwe, Fachdienstleiterin Asyl und Zuwanderung des Kreis Groß-Gerau, Agneta Becker, Flüchtlingskoordinatorin der Stadt Kelsterbach, Isabella Brauns, Leiterin der Karl-Treutel-Schule, Barbara Jühe, Leiterin der IGS Kelsterbach, Dr. Stefan Hebenstreit, Leiter der Kreisvolkshochschule Groß-Gerau, Andreas Loos, Geschäftsführer Viktoria Kelsterbach sowie Sascha Meder und Axel Hechler vom Caritaszentrum Kelsterbach. Dabei wurde deutlich, dass es, obwohl der Kreis insgesamt gut aufgestellt ist, auch hier einige dringliche Probleme gibt, mit denen die jeweiligen Akteure zu kämpfen haben. Agneta Becker bemerkte, es gebe zu viel Bürokratie, die unbedingt abgebaut werden müsse. Zwischen den einzelnen Bundesländern seien die Antragsformulare nicht konform und die Bearbeitungszeiten viel zu lang. Zudem seien Briefe so formuliert, dass keiner versteht, was darinsteht. „Das hält uns in der Praxis extrem auf“, so Becker. 

Eine der größten Herausforderungen aber sei neben der generellen Wohnraumnot im Rhein-Main-Gebiet das Fehlen von Fachkräften. „Das ist ein Problem, das immer größer wird, auch wenn die Geflüchteten nicht da wären“, sagte Landrat Will. Sascha Meder bestätigte: „Systemisch können wir für die Kinder und Familien eine Menge leisten. Aber unsere Einrichtungen sind voll und dazu kommt der Fachkräftemangel.“ Für Isabella Brauns ist bei diesem Thema besonders wichtig, auch solchen Kolleginnen und Kollegen, die nicht auf Lehramt studiert haben, eine langfristige Anstellung bieten zu können, was derzeit nicht möglich ist. „Wenn wir diese Personen nicht unbefristet beschäftigen können, dann verlieren wie sie“, so die Schulleiterin. Das sei angesichts des akuten Personalmangels eine echte Katastrophe. Axel Hechler warnte eindringlich vor einem weiteren Problem durch fehlende Fachkräfte: „Einzelakteure in dem System kommen an ihre Grenzen – und das in einem Kreis, der eigentlich so gut ausgestattet ist.“ Auch die Unterstützung durch Ehrenamtliche gestalte sich zunehmend schwer, wie Andreas Loos berichtete, da oft berufliche Verpflichtungen einem Engagement im Wege stehen. Er wünsche sich, dass das Ehrenamt besser gefördert werde, beispielsweise durch zusätzliche Freistellungsmöglichkeiten.

Nach der Gesprächsrunde ging es für die Ministerin in eine Unterkunft für Geflüchtete, wo sie sich im direkten Gespräch mit Bewohnerinnen und Bewohnern über deren Situation erkundigte. Im anschließenden Pressestatement hob Faeser noch einmal hervor, dass sie in Kelsterbach eine hervorragende Flüchtlingsarbeit vorgefunden habe. Die dezentrale Unterbringung, die so im gesamten Landkreis mit seinen rund 350 Einrichtungen betrieben werde, sei eine wirklich große humanitäre Leistung. Sie gratulierte dem Landkreis mit Landrat Will an der Spitze und dankte Bürgermeister Ockel und allen Beteiligten dafür, dass hier trotz vieler Herausforderungen und bürokratischer Hürden Großartiges geleistet werde: „Besser kann man es nicht machen.“ Sie nehme nach Berlin viele Anregungen mit, was ihr einmal mehr verdeutlicht habe, wie wichtig es sei, vor Ort mit den Beteiligten ins Gespräch zu kommen. (sb)